Kaum einer von uns kannte diese lebendige Stadt am Südrand der Bretagne mit ihren 310.000 Einwohnern, die unweit des Atlantiks an der Loire liegt. Und hätte es nicht eine direkte Flugverbindung ab Hamburg dorthin gegeben, hätten wir uns vielleicht für einen anderen Zielort entschieden. Unsere Gruppe zählte 11 Mitglieder unseres Vereins.
Wir näherten uns der Stadt vor unserer Abreise zunächst von der kulturellen Seite. Am 27. April schauten wir uns bei Gert und Inge Tuengerthal den 1991 entstandenen Film »Jacquot de Nantes«, über das Leben des berühmten Filmemachers Jacques Demy, der in Nantes seine Karriere begonnen hatte, an.
Am Zielort angekommen, übertrafen wir uns mit gutem Teamworking. Jeder von uns hatte einige Programmpunkte übernommen und gut vorbereitet. Günther Sennhenn führte uns zum Justizpalast, der eine bemerkenswerte Architektur aus Stahl und Glas aufweist. Sönke und Ulrike Schumann organisierten erst die Stadtrundfahrt, dann die beschauliche Bootsfahrt auf der Erdre, welche in Nantes in die Loire mündet. Hier reihen sich zahlreiche reizvolle Schlösser aneinander. Andreas Stedtfeld hatte eine Besichtigung der vom Architekten Le Corbusier im Ortsteil Rezé entworfenen »Unité d‘habitation« organisiert; ein zur Zeit seiner Fertigstellung 1955 bemerkenswert neuartiges Wohnkonzept. Am rechten Loire-Ufer, auf dem Sainte-Anne-Hügel, lud das kleine, überschaubare Jules-Verne-Museum zu einem kurzen Rundgang ein. Von hier aus muss der 1828 in Nantes geborene Autor mit Sehnsucht den hinausfahrenden Schiffen hinterhergeblickt haben. Vielleicht war es der Startpunkt seiner wagemutigen Träume und die Inspiration für seine außergewöhnlichen Reisen in "erfundene Welten".
Ein Abendessen wurde im pittoresken, 1895 eröffneten, Traditionslokal »La Cigale« eingenommen, im Anblick von prächtigen Fayencen, glitzernden Kronleuchtern, verträumten Barockengeln und alten Wandgemälden. „Voilà, le vin est beau!“
Wir erfuhren von den Höhen und Tiefen der Stadt. Bis 1846 hatte hier der Sklavenhandel geblüht. Hier hatte einst Louis Lefèvre-Utile in seiner Zuckerbäckerei die berühmten Butterkekse (Petit-Beurre) der Marke »LU« kreiert und diese werbewirksam zur Weltausstellung 1900 in Paris angepriesen. Vom Hafen der nahen Hafenstadt Saint Nazaire hatten einst große Überseeschiffe abgelegt und Passagiere in die Neue Welt befördert. Die Deutschen unterhielten im 2. Weltkrieg hier einen U-Boot-Hafen. Gert und Inge Tuengerthal hatten den Ausflug dorthin vorbereitet. Mit Schaudern durchliefen wir die verlassenen, weitgehend zerstörten Anlagen. Mit dem Schiff ging es die ca. 60 km Wegstrecke nach Nantes zurück, entlang einiger sehenswerter, manchmal auch skurrilen oder provozierenden, Kunstobjekten, welche links und rechts der Loire nach und nach in unser Blickfeld rückten.
Während die Werft in Saint Nazaire weiterhin große Schiffe baute, war der Schiffsbau in Nantes längst eingestellt worden. Auf dem zurückgebliebenen Werftgelände ließen wir uns im Park der »Machines de l’île« von gigantischen Elefanten, Flugdrachen und Spinnen aus Metall, Holz und Segeltuch in eine ferne Märchenwelt entführen. Wer Schiffe bauen kann, kann eben auch so etwas!
Bei unseren Stadtrundgängen widmeten wir der altehrwürdigen Kathedrale Saint-Pierre, dem Schloss (»Château des Ducs de Bretagne«) und dem Jardin des plantes etwas mehr Zeit. Die Kathedrale war um 1970 von einem großen Feuer getroffen worden. 13 Jahre lang hatte sie nicht besichtigt werden können. Das Schloss war ab dem 13. Jahrhundert die Residenz der bretonischen Herzöge gewesen und wurde im 16. Jahrhundert zur Residenz der französischen Könige in der Bretagne. Eine Führerin brachte uns die Geschichte des Schlosses näher. Dabei erfuhren wir unter anderem über die Rolle von Anne de Bretagne (1477 – 1514), die von hier aus einmal die Geschicke Frankreichs bestimmt hatte. Und ganz nebenbei bot Nantes, etwa im Quartier Graslin, eine Vielzahl von Höhepunkten der Baukunst und viele stilistische Besonderheiten.